Jetzt für die Zukunft - gesellschaftliche Debatte über hochradioaktiven und langlebigen Abfall
Ab heute, 19. April 2023, organisiert die König-Baudouin-Stiftung eine öffentliche Debatte über die Zukunft hochradioaktiver und langlebiger Abfälle. Diese von NERAS (Belgische Einrichtung für radioaktive Abfälle und angereichertes spaltbares Material) in Auftrag gegebene Debatte wird in den nächsten zwölf Monaten stattfinden. Mit „Jetzt für die Zukunft“ bietet die König-Baudouin-Stiftung Bürgerinnen und Bürgern, der Zivilgesellschaft, lokalen Behörden, Energieerzeugern und mit der Entsorgung atomarer Abfälle beauftragen Stakeholdern aber auch der jungen Generation die Möglichkeit, sich an einem partizipativen Verfahren zu beteiligen.
Eine Umfrage von ULB und KU Löwen zeigt, dass sich die Bevölkerung in Belgien Sorgen um den Umgang mit hochradioaktivem und langlebigem Abfall macht. Auf einer Punkteskala von 1 bis 10 (nicht besorgt bis sehr besorgt), liegt die belgische Bevölkerung nach einer Befragung von 2.200 Personen bei durchschnittlich 7,2. Dies spiegelt einerseits das Bewusstsein für Gesundheitsrisiken wider, aber auch den möglichen Schaden an Umwelt und Biodiversität. Gleichzeitig geht aus der Umfrage hervor, dass es an Wissen mangelt, sagen die Teilnehmenden selbst. Man weiß zu wenig, um mitreden und zukünftige Entscheidungen über die Entsorgung dieser Abfälle beeinflussen zu können. 46 % der belgischen Bevölkerung fühlen sich nicht in der Lage, sich an einer Debatte über die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle zu beteiligen, nur 22 % halten sich für kompetent.
Dieser Herausforderung stellt sich die König-Baudouin-Stiftung im Auftrag von NERAS. Über die nächsten zwölf Monate organisiert sie eine gesellschaftliche Debatte zur Zukunft dieser hochaktiven und langlebigen Abfälle.
Diese Abfälle sind da. Schon heute. Sie haben ihren Ursprung größtenteils in der Stromerzeugung in Kernkraftwerken, aber auch in der Verwendung radioaktiver Stoffe in Krankenhäusern, in Landwirtschaft, Industrie und Laboren. Diese Abfälle sind gefährlich, sehr gefährlich. Sie müssen bis zu einer Million Jahre von Mensch und Umwelt abgeschirmt werden.
Die föderale Regierung hat im Oktober letzten Jahres beschlossen, diese Abfälle in einem tiefen, unterirdischen Endlager auf belgischem Hoheitsgebiet zu entsorgen. Diese Entscheidung kommt nicht von ungefähr: Wissenschaftler:innen, Sachverständige, die Europäische Union, die Internationale Atomenergie-Organisation und andere Länder haben seit langem darauf hingewiesen, dass die Endlagerung in der Tiefe die sicherste und praktikabelste Lösung für diese Abfälle sei.
Noch viel Zeit für Dialog
Die Entscheidung der föderalen Regierung ist jedoch „bedingt“. Sie beinhaltet die Möglichkeit, sie wieder rückgängig zu machen, sollten zum Beispiel zukünftige Entwicklungen eine optimalere Lösung ermöglichen. Es handelt sich also um eine Grundsatzentscheidung, ohne zu diesem Zeitpunkt festzulegen, wo, wie und wann diese Entsorgung stattfinden wird. Die Grundsatzentscheidung für ein geologisches Endlager auf belgischem Hoheitsgebiet bedeutet somit nicht, dass sofort der erste Spatenstich erfolgt. Es wird ganz im Gegenteil noch mehrere Jahrzehnte dauern, bis irgendwo in Belgien ein oder mehrere Endlager gegraben werden, und womöglich bis zu 100 Jahre, bis auch die letzte Ladung Abfall in die Endlager gelagert ist.
Es sind also noch viele Schritte und Entscheidungen erforderlich. Folgende Fragen müssen beantwortet werden: Wie bestimmen wir den Standort für die Endlagerung? Wer sollte in die Entscheidungen zu diesem Thema eingebunden werden und wie organisieren wir die Entscheidungsverfahren? Wer kommt für die Endlagerungskosten auf? Sind Endlager, die mit anderen Ländern geteilt werden, eine Option? Das sind gleichzeitig auch die Kernthemen von „Jetzt für die Zukunft. Dialog über den Umgang mit radioaktivem Abfall“.
Mit „Jetzt für die Zukunft“ bietet die KBS Bürgerinnen und Bürgern, der Zivilgesellschaft, lokalen Behörden, Energieerzeugern und mit der Entsorgung atomarer Abfälle beauftragen Stakeholdern aber auch der jungen Generation die Möglichkeit, sich an einem partizipativen Verfahren zu beteiligen. Die Jugendlichen von heute sind die Erwachsenen von morgen und müssen als solche die Folgen der Entscheidungen, die wir heute fällen, tragen.
„Jetzt für die Zukunft“ bietet den Bürgerinnen und Bürgern eine breite Palette an Dialogmöglichkeiten: für Einzelpersonen, im Rahmen einer Organisation oder mit der Schule. Dank dieser Dialogformate stehen Organisationen und Schulen eine ganze Reihe von Informationen und Tools zum Downloaden zur Verfügung; sie können somit gleich selbst loslegen. Außerdem bieten wir Organisationen die Möglichkeit, eine Gesprächsleitung zu „buchen“, die dann vor Ort eine Dialogveranstaltung moderieren kann. Alle Informationen sind auf der Webseite „jetztfürdiezukunft.be“ verfügbar. Des Weiteren können sich auf dieser Website alle Einwohner Belgiens, die älter als 16 Jahre sind, für ein öffentliches Forum anmelden. Hierbei handelt es sich um einen teilhabenden Prozess, bei dem 32 verschiedene Personen zusammenarbeiten, um eine Stellungnahme der Bürgerinnen und Bürger zur Entsorgung hochradioaktiver und langlebiger Abfälle zu erarbeiten. Abschließend bietet die Webseite die direkte Möglichkeit zur Onlineteilnahme, indem man zu verschiedenen, die zentralen Themen betreffenden Aussagen Stellung bezieht.
Der Mehrwert eines gesellschaftlichen Dialogs
Die Regierung wird in den kommenden Jahrzehnten eine weitere, wie auch immer gestaltete Politik für radioaktive Abfälle erarbeiten müssen. Dies erfordert ein Verständnis der in der Gesellschaft vorherrschenden Interessen, Argumente und Ideen, wofür es wiederum eines breiten, sachkundigen und geteilten Dialogs bedarf. Nur wenn dieser Dialog ermöglicht wird, können richtige Entscheidungen über die langfristige Entsorgung hochradioaktiver und langlebiger Abfälle getroffen werden.
Die König-Baudouin-Stiftung ist eine unabhängige und pluralistische gemeinnützige Stiftung, die sich seit mehr als 40 Jahren für eine bessere Gesellschaft einsetzt. Die Stiftung verfügt über eine umfassende Erfahrung im Bereich öffentliche Konsultation und weiß daher besser als jeder andere, wie man sie gestaltet. Auch mit dem Thema radioaktiver Abfall ist sie vertraut. 2009 und 2010 hat die Stiftung bereits ein erstes öffentliches Forum zur langfristigen Entsorgung von hochradioaktiven und langlebigen Abfällen organisiert. Die Stiftung steht für Neutralität und Objektivität während der gesamten Projektdauer.
Der Startschuss von „Jetzt für die Zukunft“ fällt am 19. April 2023, das Projekt wird ein Jahr dauern. Im Frühling 2024 legt die König-Baudouin-Stiftung der in Belgien für die Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente zuständigen Einrichtung NERAS ihren Abschlussbericht mit den Erkenntnissen aus diesem umfassenden Dialog vor. NERAS wird dann in den folgenden Jahren die nächsten Schritte für die Endlagerung hochradioaktiven und langlebigen Abfalls einleiten.
Zur König-Baudouin-Stiftung
Die König-Baudouin-Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftung. Sie wurde 1976 zum 25. Jahrestag der Thronbesteigung von König Baudouin gegründet. Die KBS hat den Auftrag, einen Beitrag zu einem besseren Zusammenleben zu leisten. Die Stiftung spielt in Belgien, in Europa und weltweit eine wichtige Rolle bei Veränderungen und Innovationen für Gemeinwohl und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie setzt sich dafür ein, die Kompetenzen von Organisationen und Einzelpersonen zu stärken und so eine größtmögliche Wirkung zu erzielen. Sie fördert zielgerichtete Philanthropie seitens Privatpersonen und Unternehmen.
Zu NERAS
NERAS, die Nationale Einrichtung für radioaktive Abfälle und angereichertes spaltbares Material, ist seit ihrer Gründung 1980 für die Entsorgung radioaktiver Abfälle in Belgien zuständig. Es ist Auftrag dieser Einrichtung, Bevölkerung und Umwelt wirkungsvoll vor den Gefahren radioaktiven Abfalls zu schützen.