Bericht

Frieden schaffen und so selbst genesen

Ihr Vater und ihre Schwester sind im Krieg in Somalia ums Leben gekommen. Und trotzdem war Ilwad Elman stark genug, um gemeinsam mit ihrer Mutter die Organisation Elman Peace aufzubauen, die sich den Frieden in Somalia und über die Landesgrenzen hinaus zur Aufgabe gemacht hat. „Mit unserer Arbeit wollen wir die beiden Verstorbenen ehren. Unser Einsatz hat eine heilende Wirkung für uns.“ Die Organisation Elman Peace wurde für ihre Arbeit mit dem Afrika-Preis der KBS ausgezeichnet.

Durch den somalischen Bürgerkrieg der letzten Jahrzehnte musste sich Elman Peace unaufhörlich weiterentwickeln. Der Auftrag ist jedoch nach wie vor unverändert: Frieden schaffen in einem vom Krieg gezeichneten Land. Bei Elman Peace ist man sich bewusst, dass noch lange nach Kriegsende tiefgreifende Veränderungen erforderlich sein werden.

„Frieden ist ja soviel mehr als nur ein Waffenstillstand“, sagt Ilwad Elman, die gemeinsam mit ihrer Mutter Fartuun Adan die NGO leitet. „Es braucht viel, um eine Umgebung zu schaffen, in der Frieden möglich ist, für die Menschen und die Gesellschaft.“

Ihr holistischer und gemeinschaftlicher Ansatz, der auch Bildung, Schulung, psychologischen Beistand, Empowerment, Zusammenarbeit und Monitoring beinhaltet, erntet viel Lob und Anerkennung. Als jüngste Auszeichnung kommt jetzt der Afrika-Preis der KBS, der alle zwei Jahre vergeben wird, hinzu. Elman Peace erhält diese Anerkennung für ihren Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte durch Friedensförderung, die Entwicklung von Führungsqualitäten und die Stärkung von Menschen am Rande der Gesellschaft, insbesondere von Jugendlichen und Frauen.

Geteiltes Leid

Die Familie, die Elman Peace gründete, wurde selbst nicht von Krieg und Gewalt verschont. Ilwad flüchtete als Kind mit ihrer Mutter und ihren zwei Schwestern vor dem somalischen Bürgerkrieg ins Ausland. Ihr Vater Elman Ali Ahmed blieb im Land, um mit seinem Projekt Drop the Gun, Pick up the Pen Jugendliche aus den Klauen rivalisierender Kriegsherren zu retten, die sie zu Soldaten machen wollten. 1996 wurde Elman ermordet, da er mit dieser Kampagne zu vielen im Weg stand.

Zehn Jahre später kehrte seine Frau aus Kanada zurück, um die Arbeit ihres Gatten fortzusetzen. 2010, im Alter von 20 Jahren, spürte auch Tochter Ilwad, dass die Organisation sie nach Somalia zurückzog. Ihre Schwestern folgten ihrem Beispiel. 2019 wurde die Familie erneut Opfer von Gewalt: Die älteste Tochter Almaas wurde auf dem Gelände des Flughafens in der somalischen Hauptstadt Mogadischu erschossen.

Dreißig Jahre später ist der Geist von Elman Ali Ahmed noch nicht erloschen. Das Programm Drop the Gun läuft noch immer und hat tausenden Jugendlichen die Wiedereingliederung in ihre Gemeinschaft ermöglicht. Und in diesem Jahr wurde zum Gedenken an Almaas eine Leadership-Schule für Mädchen gegründet, die 200 Mädchen aus benachteiligten Familien eine vierjährige Ausbildung ermöglicht.

Neue Front: das Klima

„Wir haben der Welt gezeigt, wie sehr Somalia gelitten hat“, sagt Ilwad Elman. „Aber die alleinige Feststellung ist nicht genug. Wir müssen auch reagieren.“ Und wie! Die Organisation führt eine Reihe von Projekten durch, die sich für die Menschenrechte einsetzen und vergessenen Somaliern, vor allem Frauen und Jugendlichen, Chancen bieten, an der Zukunft ihres Landes teilhaben zu können.

Mit Sister Somalia hat Elman Peace beispielsweise das erste Krisenzentrum für sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt im Land gegründet, das inzwischen ein ganzes Netzwerk darstellt. Mit Equal Voices erhalten weibliche und junge Führungskräfte Instrumente, um einen wertvollen Beitrag zu den politischen Abläufen zu leisten. Des Weiteren arbeitet Elman Peace auch an Bündnissen, verbreitet Informationen und gute Verfahren und organisiert Kampagnen auf nationaler, afrikanischer und globaler Ebene, um die Dinge zu verändern.

Ilwad Elman ist sowohl vor Ort bei einer der Aktivitäten der Elman-Friedenszentren (neben dem Hauptsitz in Mogadischu gibt es acht regionale Zentren) als auch auf der Straße zu finden, wo sie sich mit lokalen Gemeinschaften austauscht, die an der Initiative Frieden durch Afrikabeteiligt sind, oder auf UN- und anderen internationalen Foren vor führenden Politikern der Welt spricht.

Elman Peace ist nun auch im Bereich Klimawandel aktiv, der Somalia ja in großem Umfang unsicherer macht. Wetterkapriolen und sich wiederholende Dürreperioden machen Regionen extrem anfällig. Dies wird von bewaffneten Gruppen genutzt, um neue Kämpfer zu rekrutieren. „Wir befinden uns an der Front, da wo Klima und Sicherheit aneinandergeraten. Umweltfragen befeuern die Konflikte. Menschen, die nicht länger für sich selber sorgen können und die ihre Würde verlieren, sind zu allem bereit, um zu überleben. Vor diesem Hintergrund finden Terrororganisationen großen Zulauf.“

Kein Plan B

Ihre Begeisterung für dieses Thema steht der Leidenschaft, mit der sie sich für das persönliche Wohlbefinden einsetzt, in keinster Weise nach. Dabei wendet sie bahnbrechende Methoden an, die in Somalia noch nicht wirklich bekannt sind. „Programme wie unsere Ozeantherapie tun auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gut“, sagt sie. Lokale Menschenrechtsaktivisten können durch ihre Arbeit sekundäre Traumata erleiden, und wie alle Somalier können auch sie direkte Opfer von Gewalt werden. „In Somalia ist man jedoch nicht daran gewöhnt, einer Fachkraft, also einem Fremden, zu erzählen, was man mitgemacht hat. Dadurch kann der Eindruck entstehen, man sei schwach oder gar undankbar, dann man hatte doch Glück, weil man überlebt hat?“

Elman Peace möchte einen Teil des Preisgeldes nutzen, um Dienstleistungen für Erstversorger zu entwickeln, erklärt Ilwad Elman. „Jedes Jahr verlieren wir wertvolle Arbeitskräfte in diesem Bereich, weil sie nicht mehr können. Friedensaktivisten sind eigentlich die tragenden Säulen einer Gemeinschaft, müssen jedoch auch ihre Traumata, Rückschläge und Verluste verarbeiten. Und im Gegensatz zu den meisten internationalen NGO-Mitarbeitenden gibt es für uns keine Atempausen.“

So hatte auch sie überlegt, Somalia nach der Ermordung ihrer Schwester zu verlassen. „Es war das erste Mal, dass ich so schwer enttäuscht wurde“, sagt sie. Sie kam jedoch zurück, um noch härteren Widerstand zu leisten. „Es gibt keinen Plan B“, erklärt sie. „Wie können wir sonst diese ganzen Verluste rechtfertigen? Wir müssen weitermachen, um die Verstorbenen zu ehren. Dieser Sache unser Leben widmen, das hat heilende Wirkung für uns.“

www.elmanpeace.org

Was ist der Afrika-Preis der KBS?

Der KBS-Afrika-Preis wird alle zwei Jahre vergeben und zeichnet außergewöhnliche Projekte zur Entwicklung in Afrika aus, die von Afrikanerinnen und Afrikanern initiiert und geleitet werden. Ausgezeichnet werden die besten Initiativen in ihrem Bereich, die die Lebensqualität der Bevölkerung deutlich verbessern und den lokalen Gemeinschaften die Möglichkeit geben, ihre Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Neben 200.000 Euro erhält der Preisträger die einmalige Gelegenheit, seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen und seine Organisation einem internationalen Publikum vorzustellen.

www.kbfafrica.org

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