Der Neurologe Steven Laureys, bekannt für seine Arbeit mit Menschen, die ein Koma überlebt haben, erhält den Preis für seltene Krankheiten als Auszeichnung für seine Forschung über Formen veränderter Bewusstseinszustände. Neben der Anerkennung bringt dieser Preis des von der König-Baudouin-Stiftung verwalteten Generet-Fonds eine Millionen Euro mit sich. Ihre Königliche Majestät Prinzessin Astrid überreichte Professor Dr. Laureys die Auszeichnung.
Mit dem Generet-Preis spricht die internationale Jury von Sachverständigen Doktor Steven Laureys sowohl ihre Anerkennung für das aus, was er bereits im Rahmen der Coma Science Group an Universität und Universitätsklinik Lüttich erreicht hat, und unterstützt sie ihn gleichzeitig auch bei seinen weiteren Forschungsvorhaben. Laureys und sein Team sind darauf spezialisiert, die Diagnose bei Menschen im Koma oder in einem Zustand des verlorenen oder nur minimal erholten Bewusstseins, die Prognose für eine mögliche Genesung und die Therapien zur Stimulation des Gehirns zu verfeinern.
"Dieser Preis ist eine Anerkennung unseres Forschungsteams, aber sicher auch der betroffenen Patienten und ihrer Familien", die ja oft vergessen werden, betont Doktor Steven Laureys. "Es freut uns, dass die internationale Jury die Bedeutung der Forschung an diesen seltenen chronischen Leiden eines geänderten Bewusstseinszustands anerkennt." In Belgien geraten jedes Jahr etwa 50 Menschen in eine Situation, in der sie aus dem Koma aufwachen, jedoch nicht bei Bewusstsein sind und sich nur reflexartig bewegen. Dazu kommen pro Jahr ungefähr 100 Personen, die nach einem Koma zwar aufgewacht sind, jedoch nur minimales Bewusstsein erlangt haben. Eine geringe Anzahl Patienten leidet am Locked-In-Syndrom, sind also bei Bewusstsein, jedoch vollständig gelähmt. Diese Zahlen rechtfertigen die Bezeichnung "selten" eindeutig.
Europäisches Referenzzentrum
Aus ganz Europa kommen Menschen, die aus dem Koma erwacht sind und ihr Bewusstsein nicht oder nur sehr mühsam wiedererlangen, nach Lüttich, um dort im Gehirnzentrum untersucht zu werden. Mit einer Kombination aus verschiedenen Formen der medizinischen Bildgebung (Scans) wird untersucht, in welchem Zustand sich ihr Gehirn befindet und wie die Prognose für eine Verbesserung des Zustands aussieht. "Uns geht es darum, die Unsicherheit für den Patienten, die Familie und die Ärzte zu reduzieren. Wir möchten keine falsche Hoffnung wecken, aber wir sehen einfach zu oft ungerechtfertigte Verzweiflung."
Stigs Unsicherheit
Der ehemalige Radrennfahrer Stig Broeckx ist inzwischen ein bekannter Patient, für den sich die Hoffnung verwirklicht hat. "Bei Stig haben wir außergewöhnliche Ergebnisse gesehen. Die Unsicherheit, in der er und seine Familie lebten, ist etwas, in dem sich viele andere Familien und Patienten wiedererkennen. Die nagende Ungewissheit prägte die ersten Monate, als er noch keine Anzeichen von wiederhergestelltem Bewusstsein und Kommunikation zeigte, aber auch später, als es nicht abzusehen war, wie weit er kommen würde".
Es ist schade, dass die Aufmerksamkeit für diese Gruppe von Patienten nur dann entsteht, wenn eine bekannte Person in ihrer Situation ist, betont Steven Laureys, so dass sich das Bild der Gesellschaft oft auf wenige Einzelfälle beschränkt. "Stig ist jetzt wirklich weit gekommen, und das ist in der Tat fantastisch. Was ist ein ausreichender Fortschritt für diejenigen, die nicht so weit kommen? Wie sieht ein Leben in Würde aus? Für mich ist ein wichtiger Punkt, dass der Mensch wieder funktional kommunizieren und somit seine eigenen Wünsche und Entscheidungen kundtun kann. Bei jungen Patienten erreichen wir dies nach einem Gehirntrauma in der Hälfte aller Fälle", sagt Laureys.
Apomorphin
Diese Verbesserung wird unter anderem durch elektrische Impulse angeregt. Die Forschungsgruppe sucht jedoch auch nach anderen Therapieformen. Die mit dem Generet-Preis verbundenen Mittel werden unter anderem für weitere Forschung an den Wirkungen von Behandlungen wie Apomorphin genutzt werden. Bei welchen Patienten kann diese Substanz, die subkutan in den Körper gespritzt wird, die chemischen Abläufe im Gehirn stimulieren? Eine erste Forschungsphase in einer kleinen Patientengruppe brachte ermutigende Ergebnisse. Diese müssen jedoch durch weitere Forschung an einer viel größeren Anzahl von Patienten bestätigt werden.
Der menschliche Aspekt
Dr. Steven Laureys besteht auch darauf, einen Teil der Gelder für die Gründung einer Stiftung zur Unterstützung der Patienten und ihrer Familien zu verwenden. Wie bei so vielen seltenen Krankheiten stehen sie vor der Schwierigkeit, eine korrekte Diagnose zu erhalten, vor der Suche nach einer Einrichtung, in der der Patient angemessen versorgt werden kann, und vor einem großen Maß an Unwissenheit und sogar Unverständnis, nicht nur in der breiten Öffentlichkeit, sondern z.B. auch bei den Versicherern. "Wir müssen unaufhörlich darauf achten, dass der humane Aspekt wegen des technischen Charakters von Diagnose und Behandlung nicht in den Hintergrund rückt."
Informationen zum Generet-Fonds
Der von der König-Baudouin-Stiftung verwaltete Generet-Fonds stellt in Belgien wesentliche Mittel für die Forschung auf dem Gebiet der seltenen Krankheiten zur Verfügung. Dabei legt der Fonds nicht im Vorfeld fest, um welche Krankheit(en) es gehen muss: sämtliche seltenen Krankheiten kommen in Frage. Der Fonds strebt danach, in unserem Land einen starken, international anerkannten Forschungs-Hub auf dem Gebiet seltene Krankheiten zu schaffen und vergibt jedes Jahr einen Preis in einer Höhe von einer Million Euro an eine Spitzenforscherin oder einen Spitzenforscher. Mit dem ersten Generet-Preis wurde Ende 2018 Prof. Mikka Vikkula (Institut de Duve - UCLouvain) für seine Forschung zu genetischen Ursachen vaskulärer Anomalien ausgezeichnet.